Arbeitslosigkeit ist ein systembedingtes Problem – der Verein AMSEL in Graz macht auf Missstände aufmerksam, setzt sich aktiv ein, kämpft gegen Vorurteile und unterstützt sich gegenseitig. Ein Portrait über eine Initiative, die aus eigener Kraft viel für einen gesellschaftlichen und politischen Wandel beiträgt.
Alle zwei Wochen besprechen Erwerbslose und FreundInnen der AMSEL beim Arbeitslosentreff aktuelle Problemlagen und politische Aktionen in der Pizzeria Contra Punto in Graz. Die besprochenen Themen sind vielfältig: Egal ob der alltägliche Umgang mit der Erwerbslosigkeit, Diskussionen rund um AMS, Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), Arbeitszeitverkürzung oder Tagespolitik – hier kann man sich gut informieren.
Mit der Botschaft „Arbeitslosigkeit ist ein gesellschaftliches und systembedingtes Problem – kein rein individuelles Versagen“, unterstützen sich Erwerbsarbeitslose einander gegenseitig. An der Teilnahme an den Treffen oder zur Unterstützung des Vereins sind alle Betroffenen oder Interessierten eingeladen. Die AMSEL bietet Raum für Gespräche und ist Initiator für zahlreiche Aktivitäten.
„Die Amsel ist nicht wie das AMS“, sagt Vereinsobfrau Margit Schaupp und fügt hinzu: „Wir können keine Arbeitsplätze vermitteln.“ Doch die AMSEL möchte Probleme rund um Arbeit und Erwerbslosigkeit nicht dem „System“ allein überlassen: In Form von Veranstaltungen, der Teilnahme an Aktionen und Demonstrationen, kämpft die AMSEL gemeinsam für eine bessere Zukunft. Die AMSEL verschafft sich Gehör und ist politisch aktiv. Das Forderungs- und Themenspektrum ist groß und ist auf der Homepage nachzulesen.
Wichtige AMSEL-Forderungen sind zum Beispiel:
- Arbeitslosenanwaltschaft für besseren Rechtszugang
- Mitsprache von neuen Gesetzen bis hin zum AMS
- Bedingungslose Existenzsicherung für jede Person
Vom „Stammtisch“ zum Verein
Bereits 2016 feierte die AMSEL ihr 10-jähriges Bestehen. Sie ist aus dem 2004 gegründeten „Erwerbsarbeitslosen – Stammtisch“ hervorgegangen. Ein wichtiges Motiv bei der Gründung war es, als Verein mehr zu erreichen.Treffen finden seitdem in verschiedenen Lokalen in Graz statt: zunächst im Café Palaver in der Griesgasse, dann einige Jahre beim Café Sorger am Südtirolerplatz im ersten Stock, später im Schwarzen Radieschen und seit 2016 in der Pizzeria Contra Punto.
Für ein eigenes Büro fehlen leider die laufenden Förderungen. Um vor allem für Frauen die Hemmung zu senken, an den Treffen teilzunehmen, wurde der „Stammtisch“ in „Arbeitslosentreff“ umbenannt. Die Idee ist dabei aber dieselbe geblieben: Ein lockeres Zusammenkommen von AMSEL-Mitgliedern und Betroffenen.
AMSEL-Gezwitscher
Neben dem Arbeitslosentreff werden auch andere Aktionen betreut. Jede zweite Woche gibt es die Sendung „Arbeitslosenstammtisch“ im Radio-Helsinki. Ein weiteres Angebot der Initiative ist die von AMSEL-Mitgliedern betreute „24 Stunden Hotline“. Auf die Frage, ob nächtliche Anrufe vorkommen, sagt Margit Schaupp, dass die meisten Telefonate tagsüber stattfinden. Wichtig ist das vermittelte Signal: Hier ist jemand, der mir zuhört, wenn ich nicht mehr weiter weiß.
Die Verantwortlichen des Verein AMSEL bleiben jedoch mit ihren Anliegen leider weiterhin ungehört. Auch wenn der Menschenrechtsbericht der Stadt Graz von 2008 bereits gegenteiliges empfiehlt: Im Sinne einer „Orientierung an politischer Arbeit mit den Betroffenen anstatt einer Orientierung an einer Arbeit für die Betroffenen, wird die Einbeziehung, Anhörung und Berücksichtigung der Anliegen von Erwerbsarbeitslosen, im besonderen des Vereins AMSEL seitens der Grazer und Steirischen AMS-Leitung bzw. der städtischen und Landeseinrichtungen (Stadt- und Landesräte) für Soziales, empfohlen.“
Fixpunkte und Aktionen
Am 30. April jeden Jahres wird anlässlich des „Tages der Arbeitslosen“ (Vortag zum „Tag der Arbeit“) verschiedene Aktionen umgesetzt. Die AMSEL ist seit ihrer Gründung wichtiger Teilnehmer und auch Organisator. Lange Zeit veranstaltete sie vor dem AMS in der Niesenbergergasse einen Infostand, 2009 marschierte sie mit dem von InterAct initiierten „Heer der Arbeitslosen“ durch Graz. 2011 und 2012 wurden von der Organisation Kultur in Graz, verschiedene Plätze bespielt – auch daran hat die AMSEL mitgewirkt.
Die darauffolgenden Jahre wurde die AMSEL mit der Gesamtkoordination betraut – bemängelt wird vom Verein, dass leider immer weniger Organisationen an den Aktionen teilnehmen und so der Veranstaltungsumfang zurückgeht. Ein weiterer Fixpunkt ist die Teilnahme an „Sichtbar werden“, eine Plattform von Betroffenen-Organisationen der Armutskonferenz. Mindestens einmal im Jahr gibt es Austausch, Vernetzung und Aktionen zwischen den Betroffenen von Armut, beispielsweise Arbeitslose, AlleinerzieherInnen, MindestsicherungsbezieherInnen und Obdachlosen.
Engagement, das sich lohnt
Förderungen und Spenden von parteipolitischer Seite fallen meist im niedrig-stelligen Bereich aus. Die AMSEL lebt vor allem von der Unterstützung ihrer Mitglieder und durch ehrenamtliches Engagement.
Die Themen Arbeit, Armut und die Forderungen der AMSEL werden auch in Zukunft an Aktualität nicht verlieren. Die AMSEL wird sich mit ihrem Einsatz weiterhin für verbesserte Bedingungen rund um Arbeit und Erwerbslosigkeit einsetzen – und davon profitieren alle.
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