Ein Blick ins Spektrum der Subkulturen

Das „spektral” ist kein unbekannter Ort in der Grazer Wandelszene – wird es doch unter anderem als Sitz und Veranstaltungsräumlichkeit von zahlreichen Initiativen genutzt, die sich für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einsetzen. Ich habe mich an einem Mittwoch zu den Öffnungszeiten dorthin begeben, um es mir genauer anzusehen.

Nachdem man die Stufen zum Eingang des Altbaus an der Ecke Lendkai und Fellingergasse erklommen hat, muss man erst mal die Schuhe ausziehen. Das dient ganz praktisch Gründen der Sauberkeit, gibt mir aber auch ein heimeliges Gefühl, ganz als wäre ich ins eigene Wohnzimmer eingetreten. Wie ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer sieht das Kulturcafé auch aus, das den Großteil des Erdgeschoßes ausmacht. Im spektral gibt es drei Gruppen: Das Team, die Aktiven und die Öffentlichkeit. Zur Öffentlichkeit zählen BesucherInnen und Neulinge, also ich. Indem ich meine regennasse Jacke in der Nische links neben der Tür aufhängen will, begehe ich schon den ersten Fauxpas. Das sei nämlich der Umverteiler, werde ich von einem freundlichen jungen Mann hingewiesen, der das spektral auch gerade betritt. Von dort kann man Dinge mitnehmen, die man braucht, beziehungsweise deponieren, um sie zur Entnahme freizugeben. So ein „Umsonstladen” ist eine gute Idee, finde ich, aber da ich meine Jacke noch brauche, hänge ich sie lieber in ein anderes Eck.

Der Umverteiler
Der Umverteiler

Wie alles begann

Seit 2004 dem Jahr, vor dem Graz Kulturhauptstadt war gibt es das spektral. Es wurde damals aus dem Bedürfnis heraus gegründet, einen frei bespielbaren Gemeinschaftsraum abseits vom SUb zu haben, welches eher als „Partykeller” verwendet wurde, wie sich die Mitgründer Matthias, Bene und Flo in einer Jubiläumsausgabe des Subkultur-blogs #Substral erinnern. Die neuen Räumlichkeiten sollten in erster Linie Platz für Workshops und langfristige Projekte bieten. Durch eine Förderung der Stadt, einem günstigen Fund nach monatelanger Standortsuche und viel harter Arbeit konnte der Traum auf rund 300m² verwirklicht werden. Auch ein offen zugängliches Büro mit damals zehn Computern wurde eingerichtet, eine zu der Zeit ziemlich fortschrittliche Idee.

Mark ist in der Vereinsleitung von FreeFutureForces
Marc ist in der Vereinsleitung von FreeFutureForces

Das Team

Marc Pietkiewicz setzt sich mit mir auf die Couch im Kulturcafé, um mir die Funktionsweise des spektrals zu erklären. Er ist neben Reza Kellner und Marianne Volk im Vorstand des Vereins FreeFutureForces, der sich um die Organisation und Koordination kümmert. Ein kleines Team von Freiwilligen erledigt die täglichen Arbeiten und Aufgaben. Derer gibt es viele: Betreuung und Instandhaltung der umfangreichen Website, Terminkoordination, Kommunikation mit Veranstaltern bis hin zum Gießen der Pflanzen. Eine strikte Hierarchie scheint hier nicht wichtig zu sein, es gibt auch keinen fixen Putzplan. Stattdessen ist man um gegenseitiges Vertrauen und Kommunikation auf Augenhöhe zwischen allen Beteiligten bemüht. „Alle können sich im Team einbinden, sofern genügend Interesse und Engagement vorhanden ist”, versichert mir Marc, der selbst zum Verein gekommen ist, nachdem er Gast bei einer Veranstaltung war.

Die Aktiven

Um selbst Aktive(r) zu werden, muss man nur einen kurzen Einführungsworkshop besuchen und einen Social Contract mit gewissen Grundregeln unterschreiben. Bis jetzt zählt das spektral an die 200 aktive Mitglieder, die die gebotenen Möglichkeiten und Räumlichkeiten nützen und selbst ihren Teil zur Gesamtheit des spektrals beitragen. Trotz der zahlreichen Beteiligten komme es zu erstaunlich wenigen gravierenden Problemen und nur in seltenen Fällen müsse jemand aufgrund von Meinungsverschiedenheiten des spektrals verwiesen werden, meint Marc. Und selbst dann könne alles freundschaftlich geregelt werden.

Wir müssen unsere Unterhaltung unterbrechen, da der Raum vom Paradieschen, einem gemeinschaftsgetragenen Bauernhof, für ein Vernetzungstreffen reserviert ist. Wir machen Platz und ich nütze die Gelegenheit, um mir von Marc eine Führung durchs Haus geben zu lassen. Als erstes zeigt er mir die geräumige Küche, wo ich zwei Mitgliederinnen der Tanzgruppe Grazil gerade beim Aufräumen antreffe. Die Grazer KFU-Studentinnen verwenden das spektral als Übungsraum und gelegentlich für kleine Feiern. Danach zeigt mir Marc den Weg in den Keller, wo es auch einiges zu sehen gibt.

Beispielsweise den mediaroom, in dem Workshops und Ausrüstung für Video- und Audiobearbeitung angeboten werden. In einem Vorraum lagern Equipment und ein Server von Funkfeuer, einem freien, experimentellen Funknetzwerk. Der größte Raum im Keller ist die sogenannte Galerie, in der gerade Martin Oberlechner sein Saxophon auspackt. Das Masala Brass Kollektiv mit rund 25 Mitgliedern unter Wolfgang Nocker probt hier jeden Mittwoch um 20:00 Uhr, doch einige motivierte Musiker treffen zum Üben und Aufwärmen meistens davor ein. Im Sommer 2018 wird die Band am zum dritten Male stattfindenden Skappa’nabanda zu sehen sein.

Das Masala Brass Kollektiv probt jeden Mittwoch in der Galerie
Das Masala Brass Kollektiv probt jeden Mittwoch in der Galerie

Es wäre nahezu unmöglich, alle Initiativen und Projekte vorzustellen, die im spektral beheimatet sind. Zu zahlreich und vielseitig ist das Angebot. Gerade deshalb lohnt es sich, einen Blick in den Veranstaltungskalender zu werfen oder – so wie ich – ganz unbedarft während der Öffnungszeiten vorbeizuschauen.

Infobox
Adresse: Lendkai 45, 8020 Graz

Website: http://spektral.at

email: info@spektral.at

Öffnungszeiten: Jeden Mittwoch 17:00 – 20:00

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