Wenn Asylsuchende eine Chance bekommen

Hedi Reza ist 28 Jahre alt und kommt aus Erbil, Irak. Am 16. Februar 2015 floh er aus dem Irak. Zusammen mit 20 anderen Menschen, die er nicht kannte, ist er in einem Bus losgefahren. Die Schlepper hatten gesagt, die Reise dauere drei bis vier Stunden.

Hedi und seine Begleiter haben kaum Wertgegenstände mitgenommen, nichts zu essen und auch nichts zu trinken. Die Reise dauerte insgesamt ein einhalb Monate. Am 26. März kam Hedi in Österreich an. Hinter ihm lagen unzählige Stunden in Bussen und mehr als 50 Stunden zu Fuß, in denen sie die Grenzen nachts überquert hatten.

In Österreich angekommen, wurden sie von der Polizei aufgegriffen. Sie verbrachten einen Tag im Gefängnis, bevor sie nach Traiskirchen gebracht wurden, ihre Papiere bekamen und dann an verschiedene Orte in der Steiermark verteilt wurden. Hedi sagt selbst, dass er Glück hatte: Er kam in ein Asylantenheim in Graz, als einziger seiner Gruppe. Dort stand ihm eine neue Hürde bevor: Er konnte kein Deutsch. Bald begann er, sich selbst Deutsch beizubringen. Nach wenigen Monaten konnte er sich grob unterhalten. Allerdings hatte er kaum die Gelegenheit seine neu erlernten Sprachkenntnisse zu festigen, denn es war niemand da, mit dem er Deutsch sprechen konnte. Zuerst musste er sogar noch Arabisch und Farsi lernen, um sich mit jemandem unterhalten zu können, denn in seinem Heim war kein anderer Kurde.

Seit dieser Zeit sind fast zwei Jahre vergangen. Hedi darf noch immer nicht arbeiten, da er noch keinen positiven Asylbescheid bekommen hat. Aber ihm bot sich eine andere Gelegenheit: Der Verein KAMA.

Hedi Reza hat durch den Verein KAMA eine Beschäftigung, die ihm gefällt. – Foto: Magdalena Gföllner

Hierher kam Hedi um Freunde zu finden, sein Deutsch zu verbessern und um sich besser zu integrieren. Und all das hat er geschafft. Und sogar noch mehr: Mittlerweile gibt Hedi selbst orientalische Tanz- und Kochkurse und kurdische Sprachkurse, mit denen er all jenen Interessenten sein Heimatland und dessen Kultur näherbringen möchte und hat eine eigene kleine Wohnung neben dem GMOTA. 2018 wird er sogar vom Kursleiter zum KAMA Teammitglied. Kurse möchte er aber weiterhin selbst geben, denn er hat schon viele neue Ideen, die Kultur seines Heimatlandes zu präsentieren.

Wo Hedi sich in fünf Jahren sieht?
„Wenn mein Deutsch dann perfekt ist, möchte ich Französisch oder Russisch lernen. Ich sehe mich in fünf Jahren, außer ich bekomme einen negativen Asylbescheid, in einem Friseurladen arbeiten. Das ist aber wirklich nicht mein Lieblingsjob. Ich möchte wie früher ein Café aufmachen und selbstständig sein,“ sagt Hedi, der sich in seiner Heimatstadt Erbil, nachdem er viele verschiedene Arbeiten gemacht und das Handwerk des Friseurs erlernt hat, seinen Traum erfüllt und ein Café aufgemacht hat.

KAMA

Der Verein KAMA, kurz Kurse für Asylsuchende, Migranten und Asylberechtigte, wurde 2007 in Wien gegründet. In den darauffolgenden Jahren entstanden Zweigvereine in ganz Österreich: In Salzburg, Innsbruck, Graz und Linz. Das Projekt KAMA Graz wurde im Mai 2014 von drei Studenten des Masterstudiengangs Global Studies der Karl-Franzens-Universität in Angriff genommen. Bereits wenige Monate später, im Oktober 2014 erhielt das Projekt den Elevate Award Steiermark.

Der Elevate Award Steiermark kürt eine Initiative, die sich in der Steiermark besonders im Hinblick auf soziale, ökologische und/oder ökonomische Gerechtigkeit sowie die Verbesserung der Lebensbedingungen einsetzt. Der Award wird von der Kleinen Zeitung und dem ORF Steiermark unterstützt. Schlussendlich entscheidet aber das Publikum dieser Medien, anhand der Kriterien Innovation, Nachhaltigkeit, Authentizität, Regionalität und Förderung der Gerechtigkeit, welche Organisation den Preis gewinnt.

Das Team, dass das Projekt KAMA leitet und die Organisation führt, setzt sich aus ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammen. Der Verein widmet sich einer schwierigen Aufgabe: Er versucht Asylsuchenden, Migranten und Asylberechtigten eine Möglichkeit zu geben, ihre Zeit sinnvoll zu nutzen. Dies geschieht, indem man den Geflüchteten die Chance gibt, ihre besonderen Fähigkeiten und Talente zu zeigen und an andere weiterzugeben. Flüchtlinge aus allen Ländern können hier Kurse aller Art anbieten. So gibt es zum Beispiel verschiedenste Kochkurse: Kenianisch, asiatisch, kurdisch oder peruanisch. Weiters werden Sprachkurse für Arabische, Italienisch oder Quechua (Sprache der Einheimischen in Südamerika, vor allem in den Anden) angeboten und auch orientalisches Tanzen. Die Kursinhalte hängen ganz von den jeweiligen Fähigkeiten und Talenten der Flüchtlinge ab.

Es gibt viele verschiedene Kurse, so zum Beispiel Tanzkurse. – Foto: Magdalena Gföllner

All diese Kurse werden von geflüchteten Menschen geleitet, die gerne eine Arbeit, oder zumindest Beschäftigung, hätten, diese aber wegen des vorherrschenden Beschäftigungsverbot für Asylsuchende in Österreich nicht ausüben dürfen. Ehrenamtliche Tätigkeiten, wie das Geben von kostenfreien Kursen, gelten hier als Ausnahme. Für alle Teilnehmer der jeweiligen Kurse gibt es aber die Möglichkeit einer freiwilligen Spende für die Kursleiter, wodurch Asylsuchende doch ein wenig Geld mit ihren Kursen verdienen können. Vorrangiges Ziel der Kurse ist es jedoch, Orte der Begegnung und ein respektvolles Miteinander zu schaffen.

Seit dem Start des KAMA Graz im Mai 2014 wurden, laut interner Kursstatistik, 427 Kurse von 69 verschiedenen Kursleitern abgehalten, die von 2436 Teilnehmer besucht wurden.

Damit die Kurse reibungslos ablaufen können, wird jeder Kurs bzw. jeder Kursleiter von einem Teammitglied des Vereins unterstützt und begleitet. Derzeit werden vermehrt Kursbegleiter gesucht, da momentan mehr Kursleiter als Kursbegleiter vorhanden sind.

Abgesehen von dargebotenen Kursen gibt es noch andere Veranstaltungen, so findet zum Beispiel jeden Freitag von 15 bis 17 Uhr ein gemeinsames Treffen aller Interessenten, genannt KAMA Café, im GMOTA (Münzgrabenstraße 57, 8010 Graz) statt. Hier sollen sich Flüchtlinge und Teammitglieder gleichsam treffen und bei Kaffee und Kuchen ins Gespräch kommen.

Zudem gibt es diverse, vom Verein organisierte, Veranstaltungen wie Stadtspaziergänge, Frauenfrühstücke, Spiele- und Leseabende und Ausflüge ins Grüne.

Das Projekt hat aber ein weiteres, wichtiges, Ziel: Das Knüpfen von Kontakten, das Kennenlernen anderer Menschen, das Finden neuer Freunde und das Kommunizieren bzw. das Deutsch lernen. Im Rahmen der vielen Workshops und Kurse wird der interkulturelle Austausch (besonders zwischen Geflüchteten und Einheimischen) und der Barrierenabbau gefördert.

KAMA Graz
Der Verein KAMA Graz bietet Asylsuchenden, Migranten und Asylberechtigten die Möglichkeit, sich in der Grazer Gesellschaft durch Kurse, die sie selbst geben, einzubringen. Diese Kurse werden von Teammitgliedern organisatorisch unterstützt und können von jedem Interessierten besucht werden. Gerne sind freiwillige Spenden zur finanziellen Unterstützung der Kursleiter (Asylsuchende, Migranten und Asylberechtigte) gesehen.

Jeden Freitag findet im Café GMOTA, Münzgrabenstraße 57, 8010 Graz, ein gemeinsames Treffen für alle Interessenten mit Teammitglieder und Kursleitern von 15:00 bis 17:00 Uhr statt.

Kontaktdaten und weitere Informationen finden Sie hier:
E-Mail: graz@kama.or.at
Telefon: +43 650 2015116
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