„Geld ist nichts Gottgegebenes“

Einen Schreibtisch, einen Tresor und einen Aktenschrank – mehr braucht es nicht. Klein aber fein präsentiert sich das Büro des STYRRION, versteckt hinter einem Klassenraum der Freien Waldorfschule Graz. 2005 hat Volker Mastalier die Regionalwährung in der Steirischen Bucht südlich der Mur-Mürz-Furche eingeführt.

Das große Vorbild für Volker Mastalier, Mitbegründer der Waldorfschule Graz, war der Chiemgauer, der bereits zwei Jahre zuvor durch ein Schülerprojekt der Waldorfschule Chiemgau in Deutschland ins Leben gerufen wurde. „Das Überzeugende dabei ist, dass Wirtschaftskreisläufe geschaffen werden, wo noch ein menschliches Verhältnis unter den Betrieben herrscht, die sich untereinander kennen und im Kontakt mit den Kunden sind“, sagt Mastalier. Seit nun bereits über zwölf Jahren bringen der eingetragene Verein STYRRION und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter Menschen und Betriebe näher zusammen, die sich besonders für Regionalität, Ökologie und Solidarität engagieren.

Doch was ist der STYRRION genau? Wie auch der Chiemgauer, ist der STYRRION eine eurogedeckte Regionalwährung in Form eines Gutscheins – man weiß also, was man hat. „Ein Betrieb muss am Ende des Tages wissen, wie viel er umgesetzt hat“, sagt Clemens Suppan. Der gelernte Elektrotechniker ist seit 2015 Teil des gemeinnützigen Vereins. „Wir können ja den Schein nicht blank drucken und ausgeben. So ähnlich ist das beim Bitcoin, wo der Wert dann plötzlich um 1000 Euro schwankt. Wir haben für jeden STYRRION, den wir ausgeben, einen Euro als Deckung auf der Bank“, setzt Suppan fort. Gemeinsam mit Volker Mastalier und dessen Frau, sowie mit Rudolf Pezzei, der sich um die EDV kümmert, bildet er den vierköpfigen Vorstand des STYRRION.

„Abgelaufene STYRRION werden geschreddert“, sagt Suppan – Foto: Christian Albrecht

Abschlag für Umlauf

Euro in STYRRION umtauschen kann man entweder per Abonnement oder E-Mail, telefonisch und im Büro der Waldorfschule sowie bei anderen gekennzeichneten Ausgabestellen. Gegen einen Euro bekommt man einen STYRRION. Beim Tausch kann man sich eine gemeinnützige Organisation wie Kindergärten oder Schulen aussuchen, die man mit dem STYRRION unterstützen möchte. Sobald die Gutscheine nämlich wieder im Büro einlangen, gehen 3 % des eingetauschten Werts an die ausgewählte Organisation, 2 % bleiben beim Verein STYRRION. „Überschuss bleibt uns aber keiner“, sagt Suppan, „mit diesem Geld werden zum Beispiel die Druckkosten für die Scheine refinanziert.“

Gibt ein Betrieb also 100 STYRRION ab, bekommt er 95 Euro retour. Dieser Abschlag soll ein Anreiz an Betriebe sein, den STYRRION nicht gleich wieder einzutauschen, sondern vielleicht einen Lieferanten zu finden, den man auch mit STYRRION bezahlen kann. „Wenn ein Betrieb die STYRRION an einen anderen Betrieb weitergibt, verliert dieser gar nichts“, sagt Mastalier. So bleibt die Regionalwährung im Umlauf. „Der Betrieb profitiert von einer Stammkundenbindung. Mittlerweile gibt es schon so viele Bio-Supermarkt-Ketten, welche die Kunden locken – wenn jemand jedoch STYRRION-Abonnent ist, geht dieser noch immer zu den regionalen Märkten“, fügt Suppan an.

„Es gibt 1er, 2er, 5er, 10er, 20er und 30er (Gut-)Scheine“, erklärt Clemens Suppan – Foto: Christian Albrecht

Regional, nachhaltig, ökologisch

Um STYRRION-Betrieb zu werden, gilt es allerdings ein paar Kriterien zu erfüllen. Momentan spielt sich der Großteil bei rund zehn Betrieben ab. „Um STYRRION-Partner zu werden, muss das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ökologie vorhanden sein, der Betrieb sollte sich mit diesen Werten verbunden fühlen“, erläutert Suppan. „Gerade die guten, regionalen Betriebe haben nicht Geld im Überfluss und können marketingtechnisch mit einem McDonald’s oder IKEA nicht mithalten. Da werden Unmengen in Werbung reingesteckt. Von außen schaut dann auch alles super aus, was im Hintergrund passiert, sollte man sich aber nicht anschauen. Erst durch eine Regionalwährung überwindet man vielleicht die Hemmschwelle und schaut zu einem Regionalbetrieb. Da lernt man dann oft kennen, wie toll das ist und was da dahintersteckt.

„Es gibt keine egoistischen Anreize, den STYRRION zu verwenden“ – Volker Mastalier

Von den rund 60 Abonnenten, die durchschnittlich 50-100 STYRRION pro Monat abonnieren, kommt der Großteil aus dem Waldorfschulen-Umfeld. „Es gibt keine egoistischen Anreize, den STYRRION zu verwenden. Es braucht Menschen, die dafür Verständnis haben und das sind zu einem großen Teil die Eltern unserer Schüler“, sagt Volker Mastalier. „Viele dieser Eltern unterstützen als gemeinnützigen Verein dann die Waldorfschule, da kommen jährlich schon ein paar tausend Euro zusammen“, ist Suppan stolz. Aber nicht nur so profitieren die Schüler von der Regionalwährung, einmal in der Woche kommen die Kinder im Rahmen eines Projektunterrichts in Kleingruppen in das STYRRION-Büro.

Volker Mastalier dokumentiert die Entnahme von 500 STYRRION – Foto: Christian Albrecht

Früh übt sich

„Wir wollen das wirtschaftliche Umfeld an die Kinder heranbringen, wenn die Schüler aus der Schule herauskommen, sollen sie einen tieferen Einblick in die Welt und das Geldgebahren haben“, betont Mastalier. „Sie lernen dann die genauen Prozesse im Hintergrund kennen und machen auch die Kassaprüfung“, fügt Suppan an. „Wir wollen ihnen das Bewusstsein mitgeben, dass Geld etwas ist, was der Mensch selbst geschaffen hat und wo man die Regeln auch ein bisschen anders gestalten kann. Geld ist nichts Gottgegebenes, man kann es auch anders gestalten, sodass es dem Menschen zugutekommt.“

„Es wird vielleicht etwas unterschätzt, wie einfach eine Regionalwährung funktionieren kann“, setzt der Elektrotechniker fort. „Unsere Abonnenten haben keinen Aufwand, bekommen ihr Kuvert vor die Tür und müssen keine Gebühren zahlen. Mit diesem kleinen Beitrag kann man aber sehr viel bewirken, weil dadurch Kreisläufe in den Gang gesetzt werden, damit das Geld in der Region bleibt und nicht irgendwo untertaucht.“ In der Zwischenzeit nimmt Volker Mastalier die Kassa aus dem Tresor und zählt 500 STYRRION für einen Betrieb in Raaba ab. „Der Leiter will, dass seine Mitarbeiter etwas Gescheites essen und nicht nur zum Metzger gehen. Da bekommen sie einen Mittagsbonus in Form von STYRRION, mit denen sie dann hier in der Schulküche essen gehen können.“ Jede Entnahme muss genau dokumentiert werden, den Jahresabschluss führt die Mutter einer der Kinder durch. Sie ist gewerbliche Buchhalterin und wird in STYRRION ausbezahlt.

Jeden STYRRION ziert ein vom Wirtshausmaler Walter Felber gezeichneter Kopf – Foto: Christian Albrecht

Bewusstseinsbildung ist das A und O

„Wir sehen, dass in allen Bereichen internationale Konzerne die Geschäfte übernehmen. Wenn man sich in Graz Pizzerien wie L’Osteria oder Vapiano anschaut, das sind große internationale Ketten. Wenn die Klein- und Mittelbetriebe aus der Region plötzlich weg sind, geht viel an Lebensqualität verloren“, erzählt Suppan. „Eine Regionalwährung kann wirklich gute Dienste leisten, bewusst regional einzukaufen. Mit dem STYRRION zeige ich auch dem Verkäufer, dass ich mit verbunden fühle und den Betrieb wertschätze.“

Für die Zukunft hat sich der Vorstand ein Ziel gesetzt: „Natürlich wollen wir größer werden und vor allem den Wirtschaftskreis um die Schule stärker aufbauen“, sagt Mastalier, „es sollte nicht nur der Staat durch Fördermittel die Bildung finanzieren, sondern die Gruppe in sich selbst auch. Wir sind eine Schule, die nur zu einem geringen Teil staatlich finanziert wird.“ Zum jetzigen Zeitpunkt werden monatlich zwischen 5000 und 6000 Gutscheine ausgegeben. Um diesen Rahmen zu erweitern, braucht es auch eine bessere Bewusstseinsbildung bei den Steirerinnen und Steirern. „Vielleicht erscheint es den Menschen als Einschränkung, weil man damit nicht überall hinfahren kann einkaufen. Auch biologisch einkaufen an sich ist eine Einschränkung, da man mehr zahlt und oft die Produkte nicht überall bekommt“, sagt Suppan.  „Aber trotzdem macht es Sinn, denn damit ermöglicht man Zukunft.“

STYRRION
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