Auf in ein besseres Leben

“Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünscht”, sagte Mahatma Gandhi. Doch wie soll das gehen? In der Fokusgruppe “Ich und das Gemeinwohl” versuchen die Mitglieder, Antworten auf diese Frage zu geben.

Es ist später Nachmittag, als im Primawera-Saal am Kameliterplatz Graz eine kleine Truppe zusammenkommt. Sie versammeln sich in einem Raum mit hohen, stuckverzierten Decken und wirken ein wenig verloren an ihrem Tisch, über dem eine riesige, rötliche Lampe schwebt. Doch der Schein trügt: In dieser familiären Runde, die mir sofort Brötchen kredenzt, werden fleißig Pläne gemacht.

“Ich und das Gemeinwohl” nennt sich das neunköpfige Team, das eigentlich zu der übergeordneten Organisation Gemeinwohl-Ökonomie gehört, und sich für ein besseres Miteinander und ein neues Wir-Bewusstsein einsetzt. Das große Ziel klingt im ersten Moment simpel: Ein gutes Leben für uns alle. Um das zu erreichen, müsste sich allerdings einiges ändern und wie man so schön sagt: Veränderungen beginnen immer bei dir selbst. Das dachten sich Willi Gürtler und seine Teammitglieder, als sie vor vier Jahren ihr Konzept begründeten. “Der Schlüssel dazu sind gelingende Beziehungen. Sie sind ebenso eine Lebenskunst wie gute Entscheidungen”, erklärt Gürtler, der sich selbst als Netzwerker bezeichnet und Beziehungen zu unterschiedlichsten NGOs in der Steiermark aufrecht erhält.

Gemeinwohl für alle – nicht nur Unternehmen

Das Modell, das das Fokusteam umsetzen will, basiert auf dem Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie, ein Projekt, den der Aktivist und Autor Christian Felber 2010 gründete. Entscheidend sind dabei die fünf Säulen Nachhaltigkeit, Solidarität, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Demokratie. “Die Gemeinwohl-Ökonomie ist auf Unternehmen ausgerichtet”, sagt Gürtler. “Veränderung betrifft jedoch nicht nur Unternehmen, sondern auch die Menschen selbst, deshalb haben wir das Modell adaptiert.” Vor einigen Jahren gab es einen ähnlichen Versuch in München, erzählt er mir, doch das dortige Modell, genannt “Individualbilanz”, hat sich nicht durchgesetzt.

Das Gemeinwohlnetz illustriert die fünf Säulen, auf die das Modell von „Ich und das Gemeinwohl“ aufbaut – Foto: Ich und das Gemeinwohl

Wer online nach “Ich und das Gemeinwohl” sucht, wird zuerst auf einen Selbsttest stoßen, in dessen Verlauf Interessierte die Schwächen und Stärken in ihrem eigenen Gemeinwohl-Verhalten sehen können.Insgesamt 2000 Menschen hätten diesen Test schon gemacht, der neugierig auf mehr machen soll, erklärt Gürtler. Zur Vertiefung bietet “Ich und das Gemeinwohl” ein 46 Seiten starkes Handbuch, das aufzeigt, was Otto Normalverbraucher tun kann, um im Alltag von dem Modell zu profitieren. Hier wird vorgeschlagen, sich etwa für eine bessere Gesprächskultur einzusetzen oder bewusst auf den eigenen ökologischen Fußabdruck zu achten. Dieses Handbuch aufzusetzen, ist eine der wichtigsten Tätigkeiten der Gruppe, wie Gürtler erklärt. Insgesamt wurden beide Werkzeuge  bereits zwischen fünf Mal überarbeitet, einmal sogar in Kooperation mit der UNI Graz.

Spread the word

Um ihre Ideen einem größeren Publikum nahe zu bringen, veranstaltet “Ich und das Gemeinwohl” eine siebenteilige interaktive Workshopreihe, in der die fünf Säulen genau abgehandelt werden. Die Mitglieder der Fokusgruppe stellen bei diesen vormittäglichen Veranstaltungen ihren Zugang zum Gemeinwohl vor und geben praktische Tipps zur Änderung des eigenen Verhaltens. Erstmalig ab September 2017 veranstaltet, fanden die Workshops einen soliden Teilnehmerkreis. Deshalb ist eine weitere Reihe für den Frühling geplant. Bis jetzt gab es jedoch wenige Anmeldungen für die Veranstaltungen, die mit dem 01. Februar starten. Kein Wunder, dass ich gleich eingespannt werde, Flyer in der Uni auszuhängen.

Auch im Frühjahr hofft „Ich und das Gemeinwohl“ auf eine rege Teilnahme bei den Workshops – Foto: Ich und das Gemeinwohl

Das größte Problem der Fokusgruppe sei, dass sie zu wenig wahrgenommen wird. “Für PR haben wir kein Budget”, erklärt Gürtler, fügt aber hinzu, dass man innerhalb des Gemeinwohl-Ökonomie-Universums recht bekannt sei. In Zukunft möchte man die eigene Bekanntheit allerdings steigern: Das Team wird in nächster Zeit nicht an einer neuen Version des Handbuchs arbeiten, sondern sich vielmehr auf Veranstaltungen wie den Nachhaltigkeitstag und Kooperationen mit anderen Grazer Gruppen konzentrieren.

Go international

Die Gemeinwohl-Ökonomie hat es in den acht Jahren seit ihrer Gründung bis in die USA und nach Lateinamerika geschafft. Die Tochter “Ich und das Gemeinwohl” ist noch nicht ganz so weit, doch erste Schritte in Richtung Internationalisierung wurden bereits gesetzt: Diesen Jänner fand in München ein Treffen mit einigen Gruppierungen statt, die ähnliche Ziele haben. “Im Gegensatz zu uns, konzentriert man sich hier allerdings auf Spezialgebiete und ist nicht so ganzheitlich unterwegs”, sagt Gürtler.

In der Schweiz etwa hat sich ein Verein namens “Konsumbilanz” gebildet, der sich nur auf Ernährung fokussiert. Ein weiteres Projekt, die “Familienbilanz”, gibt es in Italien und eines in Deutschland: “Enkeltauglich leben”. Gemeinsam mit “Ich und das Gemeinwohl” wollen diese drei Fokusteams, eine internationale Arbeitsgruppe bilden, die bei der Delegiertenversammlung der Gemeinwohl-Ökonomie in Lissabon im Mai dieses Jahres beschlossen werden soll.

Nach rund zwei Stunden löst sich das Treffen am Karmeliterplatz auf: Die Mitglieder ziehen mit dem Auftrag los, weitere Interessierte für die Workshopreihe anzuwerben, und ich bleibe noch für ein paar Fragen bei Willi Gürtler. Gürtler ist eingetragener Philosoph, der fest davon überzeugt ist, dass Visionen auch zu Taten führen können. Bei “Ich und das Gemeinwohl” war es die Idee, dass WIR alle gemeinsam mehr erreichen können als ein Einzelner. Aus diesem Gedanken entstand ein Konzept, das unser Leben ganz schön verändern könnte.

Infobox

“Ich und das Gemeinwohl” ist ein Teil der Organisation Gemeinwohl-Ökonomie und beschäftigt sich damit, was Einzelne in ihrem Leben ändern können, um es besser zu gestalten.

Adresse:Karmeliterplatz 8, 8010 Graz
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Hier gehts zum Selbsttest

Workshopreihe “Ich und das Gemeinwohl”:

Do, 01.02. 17:00 Auftakt: Ich und das Gemeinwohl K8 Primawera-Saal, Graz
Sa, 03.03. 10:00 Workshop: Ich und Nachhaltigkeit K8 Primawera-Saal, Graz
Sa, 10.03. 10:00 Workshop: Ich und Solidarität            K8 Primawera-Saal, Graz
Sa, 07.04. 10:00 Workshop: Ich und Gerechtigkeit K8 Primawera-Saal, Graz
Sa, 21.04. 10:00 Workshop: Ich und Demokratie K8 Primawera-Saal, Graz
Sa, 05.05. 10:00 Workshop: Ich und Menschenwürde K8 Primawera-Saal, Graz
Mo, 14.05. 17:00 Abschluss: Ich und das Gemeinwohl K8 Primawera-Saal, Graz

Anmeldung für die Workshops ab 03.03. bei Willi Gürtler: wilhelm.guertler@gwoe-steiermark.at

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