„Das Konzept der Nachbarschaftshilfe neu beleben!“ So fasst Johanna Tentschert, Leiterin des Zeit-Hilfs-Netzes Gratwein-Straßengel, das Projekt zusammen. Bei der seit mittlerweile gut zwei Jahren bestehenden Plattform „Zeit-Hilfs-Netz“ in Gratwein-Straßengel geht es darum Zeit gegen Hilfestellungen im Alltag zu tauschen.
Im Jahr 2015, als insgesamt elf Ortschaften am westlichen Murufer nordwestlich von Graz zusammengelegt wurden, gab es eine Bürgerbeteiligungsinitiative bei der mögliche Projekte für die neue Gemeinde besprochen wurden. Seit diesen Anfängen ist Johanna Tentschert die Leiterin des ca. vierköpfigen Teams in der neu gewonnenen Gemeinde. Auf die Frage, warum sie sich für das Projekt interessiert hat antwortet sie ohne viel nachzudenken: „Ich hab die Jutta Kager vom Zeit-Hilfs-Netz Deutschfeistritz schon vorher gekannt und habe schon gewusst um was es da geht. Und da hab ich mir gedacht, dass das für uns auch super wäre, also habe ich es gemacht. Ich mache ja generell gerne ehrenamtliche Sachen, meine Haupthobbies sind gemeinnützige Sachen ohne Geldfluss.“ Zu ihren Aufgaben zählen Plakate und Flyer organisieren, bei Fragen der Mitglieder oder Interessenten da zu sein, das Organisieren der Stammtische, welche gemeinsam mit dem Zeit-Hilfs-Netz Deutschfeistritz abwechselnd einmal dort und einmal in Gratwein abgehalten werden, und vieles mehr.
Mitglieder werden können Menschen aller Altersgruppen. „Getauscht werden kann alles was man sich vorstellen kann, es darf jedoch nicht ins gewerbliche rutschen, da muss man also aufpassen“ sagt Johanna Tentschert. Von Gartenarbeit, über kurzfristige Nachhilfestunden geben bis Karten spielen ist also alles erlaubt. Nur eine Tätigkeit die über einen längeren Zeitraum geht ist ausgeschlossen. Tätigkeiten sind aber nicht das Einzige das getauscht werden kann, auch mit Waren kann gehandelt werden. Das Projekt basiert auf Zeitbasis, das heißt, dass man für geleistete Hilfe Gutstunden bekommt, die man bei einem anderen Mitglied wieder einlösen kann. Bei Tätigkeiten werden Gutstunden nach der tatsächlich geleisteten Hilfe in Stunden verrechnet, bei Waren allerdings kann man sich das untereinander ausmachen wie viel man verlangt. Gutstunden verfallen nicht, und man kann auch nicht ins Minus gelangen. Auf der Website des Zeit-Hilfs-Netzes können Mitglieder online stellen was sie suchen oder anbieten, und sich außerdem wegen Anzeigen anderer Mitglieder bei ihnen melden. Ebenfalls auf der Website werden die Gutstunden verbucht, das macht jeder selbst.
Getauscht werden, kann mit Mitgliedern aus allen teilnehmenden Gemeinden. Zu diesen zählen Bad Radkersburg, Bärnbach, Dechantskirchen, Deutschfeistritz, Eibiswald, der Stadtteil Graz-Südost, St. Georgen an der Stiefing, Stainz, Trofaiach und Gratwein-Straßengel. Durch die Zusammenarbeit mit Jutta Kager, kann aber auch mit Mitgliedern des Grazer Tauschvereins zu tauschen.
Die Köpfe hinter dem Verein
Natürlich nutzt Johanna Tentschert das Projekt auch selbst, erst vor Kurzem hat sie sich von Beate Majcen einen kleinen Auffrischungskurs in Sachen Computerbenutzung geben lassen. Beate Majcen ist seit 2015 Mitglied des Zeit-Hilfs-Netzes. „Mir gefällt die Idee Zeit gegen Zeit zu tauschen, weil ich das immer komisch gefunden habe, dass eine Stunde Nachhilfe so viel kostet aber wenn ich jemanden für eine Stunde geholt habe oder mein Mann für eine Stunde Singen gegangen ist, dass das ganz andere Preise waren.“
Wenn Johanna Tentschert bedingt durch ihre Funktion bei den steirischen Grünen oder im Gemeinderat von Gratwein-Straßengel einmal keine Zeit findet um rechtzeitig da zu sein wo sie gebraucht wird, helfen ihr nicht nur die drei bis vier Leute in ihrem Team, sondern auch Mitglieder wie Beate Majcen. „Wenn sie mal nicht kann, ruft sie mich an und sagt: Du weißt eh wo der Schlüssel ist, denn durch Johannas begrenzte Freizeit gibt es auch andere Leute die wissen wo der Schlüssel ist und wie man reinkommt.“
Um ein Mitglied des Projektes, welches bereits in mehr als zehn steirischen Gemeinden umgesetzt wird, zu werden muss man ein Formular ausfüllen das man Online oder bei einem der Stammtischtreffen findet. Zusätzlich muss ein Betrag von 10 Euro pro Jahr entrichtet werden, dadurch ist man über die UNIQA versichert, falls man sich bei einer Hilfestellung verletzen sollte, außerdem bekommt man dadurch fünf Gutstunden geschenkt. Das Kennenlernen anderer Mitglieder kann einerseits durch die Datenbank und andererseits durch diverse Stammtischtreffen geschehen. Die Stammtischtreffen finden einmal im Monat statt, meist am 3. Montag des jeweiligen Monats. Zu diesen Treffen können natürlich auch Menschen kommen, die sich für das Zeit-Hilfs-Netz interessieren und mehr darüber erfahren wollen. „Man kommt da mit ganz anderen Leuten in Kontakt mit denen man sonst nie in Kontakt kommen würde und das gefällt mir gut. Da kommen Menschen aus allen Schichten, Berufen, Lebensituationen, das ist spannend. Es kommen ja auch welche, die brauchen nicht wirklich etwas sondern freuen sich nur über die fixe Gesellschaft einmal im Monat“ finden sowohl Johanna Tentschert als auch Beate Majcen.
Um das ca. 20-Mitglieder große Projekt in Gratwein-Straßengel noch bekannter zu machen erscheint regelmäßig ein Artikel in der Gemeindezeitung und natürlich Flyer und Plakate. Für die Zukunft möchte man noch aktiver werden und immer mehr Menschen von den Vorteilen des Netzwerkes überzeugen, dazu finden jährlich sogenannte Klausurtreffen statt, bei denen LeiterInnen aller Gemeinden zusammenkommen und über mögliche Veränderungen oder Verbesserungen diskutieren. Nachbarschaftshilfe ist und bleibt also ein wichtiges Konzept in unserer Gesellschaft und die Möglichkeiten dahinter werden durch kreative Köpfe wie jene von Johanna Tentschert oder Beate Majcen immer weiter ausgeschöpft.
Kontakt:
Plattform für Nachbarschaftshilfe. Es werden Dienstleistungen getauscht, allerdings ohne Geldfluss, man schenkt und erhält Zeit. Tauschen kann man mit Mitgliedern aller Zeit-Hilfs-Netze in der Steiermark, aber auch mit Mitgliedern des Talente-Tausch-Graz.
Johanna Tentschert
Telefon: 0650/3808102
Adresse: Bürgerzentrum Gratwein-Straßengel
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Titelbild: Johanna Tentschert