Die Organisation Grenzenlos bringt in Graz die Kulturen zusammen. Das gilt insbesondere für Entwicklungsländer in Afrika, dem Kontinent des Ursprungs. Die Organisation entsendet Freiwillige, die sich auf einen Austausch einlassen und sich vor Ort einbringen und mithelfen. Doch man muss nicht unbedingt weit fahren, um fremde Kulturen kennenzulernen.
Julia Galler leistete Aids-Prävention in Uganda
Julia Galler wollte nach dem Studium der Sozialen Arbeit an der FH JOANNEUM vor dem Berufseinstieg „einfach mal weg“ und das Gelernte als Freiwillige in die Tat umsetzen. Dafür arbeitete sie in Uganda ein halbes Jahr mit einer kleinen Organisation names Kifad zusammen. Die Aufgabe der Freiwilligendienerin war es, HIV-Testaktionen bei Hausbesuchen oder Großveranstaltungen vorzubereiten, durchzuführen und die Daten auszuwerten.
Ein „ganz normaler Tag in Uganda“ begann für Julia so: „Aufstehen, fertigmachen und dann die Fahrt zur Arbeit mit dem Motorradtaxi. Die sind in Uganda typisch: Man verhandelt vorher einen Preis aus, und fährt dann (manchmal auch mit mehreren Leuten) auf den Rücksitz. Sehr praktisch.“
Der Verkehr ist der Wahnsinn: Alles fließt, man muss nur verstehen, in welche Richtung
Die großen kulturellen Unterschiede zeigten sich für Julia bereits bei so alltäglichen Dingen wie dem Verkehr: „Uganda ist sehr sehr anders, es ist eine wunderschöne Form von Chaos. Der Verkehr in der Hauptstadt Kampala ist der Wahnsinn: Ich hätte mich da nie selbst hineingetraut, am Motorradtaxi war das schon spannend genug. Alles fließt, man muss nur verstehen, in welche Richtung.
Die ehemalige Freiwilligendienerin lebte ein halbes Jahr in Wakiso town, eine Stadt ungefähr so groß wie Knittelfeld. In dem Dorf gab es keinen Strom, nur das Projekt versorgte sich über Solarpanele. Die Umgebung bestand aus vielen Grünflächen, Landwirtsaft und vielen kleinen Shops. Aber: „Ein Shop ist es dort schon dann, wenn jemand vor seinem Haus ein bisschen Kuchen, Gemüse und Wasser verkauft. Aber viel mehr gibt es dort nicht.“
Einem Auslandsdiener in Uganda stellen sich mehrere Herausforderungen: „Man muss im Alltag verhandeln, egal worum es geht. Beim (Motorrad-)Taxifahren, beim Einkaufen, das war zu Beginn ungewohnt. Außerdem fällt man durch die äußerlichen Unterschiede immer auf und steht dadurch ständig im Mittelpunkt. Das kann auf Dauer anstrengend sein, ich wurde zum Beispiel fast täglich am Heimweg von Fremden mit durchaus netten Absichten angesprochen. Die Menschen sind einfach sehr gastfreundlich und offen. Es wird jeder gleich gefragt, wo er herkommt, was er hier macht und wo er hingeht. Daraus ergeben sich manchmal sehr spannende Gespräche, aber an manchen Tagen, wenn man einfach nur müde von der Arbeit ist und einfach nur nach Hause möchte, hatte ich darauf nicht immer Lust.
Julia hat aus Uganda vieles mitgenommen: „Ich bin sehr viel selbstständiger geworden, habe gelernt Führungsrollen zu übernehmen, ich habe über mich herausgefunden, dass ich in Zukunft sehr viel Zeit mit Reisen verbringen möchte. Uganda ist im Vergleich zu Österreich komplett anders. Keines ist besser oder schlechter, es ist eine komplett andere Welt. Es ist sehr spannend, einen Blick auf beide zu haben und in beiden ein bisschen zu Hause zu sein.“
Lisa Seiringer betreute gehörlose Kinder in Togo
Auch Vorstandsmitglied Lisa Seiringer ist durch ein Auslandsjahr zu Grenzenlos gekommen. Schließlich gefiel ihr die Organisation so gut, dass sie nach und nach immer mehr Verantwortung übernahm. Bei Grenzenlos Graz ist sie für die Entsendung von Auslandsdienern und die Koordination eines Mentoring-Projekts für Geflüchtete zuständig. Sie ist dabei nicht allein: Die Organisation besteht ausschließlich aus ehemaligen Freiwilligen. Das erleichtert es, die Bedürfnisse und Fragen der Entsendeten besser nachzuvollziehen.
Alles begann in Togo. Dort unterrichtete Lisa ein Jahr eine Grundschulklasse gehörloser Kinder. Dafür musste sie erst die dortige Gebärdensprache lernen, eine für Französisch adaptierte Version der im Nachbarland Ghana üblichen, auf Englisch basierenden, Gehörlosensprache. „Die Sprache kann ich sonst nirgends verwenden!“, muss Lisa lachen. „Am Anfang war es schwierig, aber irgendwie versteht man sich immer“.
Zu Grenzenlos kam sie eher zufällig. „Ich wollte nach der Matura ganz klassisch ein Jahr weg, bevor ich mit dem Studium beginne. Es war mir damals wichtig, in ein französischsprachiges Land zu kommen. Dass Grenzenlos damals genau Togo im Angebot hatte, war das eigentlich ein großes Glück.“
Mir ist erst später klargeworden, dass ich deshalb als total unhöflich gelte
Besonders spannend an einem Auslandsdienst findet Lisa Seiringer, dass man „egal in welchem Land einen anderen Blick auf die Welt kennenlernt“. „Man kennt immer nur den Blick aus Österreich auf die Welt. Es ist interessant zu sehen, wie ein kleines afrikanisches Land, das kein Mensch kennt, Österreich oder Amerika sieht.“
Kulturelle Unterschiede gab es zuhauf. So sind in Togo andere Dinge höflich, zum Beispiel, wie man einander begrüßt. Während es in Österreich üblich ist, einen Gruß in die allgemeine Runde zu werfen, wenn man in einen Raum kommt, ist das in Togo total unhöflich. „Man kommt in einen Raum und sagt nichts. Erst wenn man direkt vor der ersten Person steht, begrüßt du sie und jede weitere Person einzeln. Es ist mir erst nach einem halben Jahr klargeworden, dass ich wegen dieser österreichischen Eigenschaft als total unhöflich gelte.“
Ein emotionaler Moment war für Lisa, zu Weihnachten nicht in Österreich zu sein. „Es ist in Togo gar nicht besinnlich, sondern eine laute Party, man geht am 24. Dezember mit Freunden in eine Bar. Die Weihnachtslieder sind zwar die gleichen, aber mit einem schrecklichen Discobeat unterlegt, da kam bei mir überhaupt keine weihnachtliche Stimmung auf.“
Mehr Wandelgschichten von Grenzenlos-Auslandsdienern findest du in diesem Artikel.
Die schönste Zeit hatte die ehemalige Freiwilligendienerin in der Schule beim Unterrichten. „Wir hatten großes Glück mit dem Schuldirektor, denn er war sehr offen gegenüber den Vorschlägen von uns Volontärinnen. Wir durften sehr viel mitreden. Zum Beispiel haben wir es im Laufe des Jahres nach vielen Gesprächen geschafft, dass die Kinder in der Schule so gut wie nicht mehr geschlagen wurden. Es gab einen guten Austausch und wir haben gemeinsam Alternativen gesucht.“
Zusammen leben in Graz
Im Laufe des Auslandsdienstes hat sich für Lisa ein neuer Berufswunsch herauskristallisiert: „Ich habe mich vorher sehr für Sprachen interessiert, das war auch meine anfängliche Motivation ins Ausland zu gehen. Dann aber merkte ich, dass ich in den Sozialbereich gehen will. Ich unterrichte inzwischen Deutsch für Flüchtlinge, das hätte ich ohne die Erfahrung in Togo vielleicht nicht für mich entdeckt.“
Außerdem hat Lisa für Grenzenlos ein Mentoring-Projekt namens „Gemeinsam leben in Graz“ ins Leben gerufen. Der Grundgedanke dabei sei, den Kontakt zwischen geflüchteten Menschen und Österreichern zu ermöglichen. „Ich habe während meiner Arbeit mit Flüchtlingen gemerkt, dass es wahnsinnig deprimierend sein kann, auf den Asylbescheid zu warten und nichts zu tun zu haben. Im Projekt können Asylanten aus der Community ausbrechen und mit Österreichern in Kontakt kommen.“
Im Laufe des Projektes treffen sich der österreichische Mentor und der geflüchtete Mentee ca. einmal wöchentlich, zusätzlich organisiert Grenzenlos einmal pro Monat eine gemeinsame Freizeitaktivität in der großen Gruppe. Das kann vom gemeinsamen Kochabend bis zum Besuch des Arnold-Schwarzenegger Museum so ziemlich alles sein. „In Graz gibt es zum Glück mehrere solche Projekte, zum Beispiel von der Caritas oder von ZEBRA. Das Besondere an unserem Projekt ist, dass der Zugang sehr niederschwellig und unkompliziert ist.“
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Flüchtlinge für das Projekt zu begeistern, fällt bei der Organisation meistens nicht schwer. „Ich habe schon eine lange Warteliste an Flüchtlingen, die mitmachen wollen. Der Grund ist, dass sie ihre Deutschkenntnisse, die sie im Unterricht gelernt haben, auch in der Praxis ausprobieren möchten, dazu fehlt oft der Kontakt.“ Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Suche nach Grazern. „Es ist eine Verantwortung, die man übernimmt, die meisten nehmen sich nicht die Zeit, sich einmal wöchentlich mit dem Mentee zu treffen.“
„Ein Auslandsdienst ist zwar eine gute Gelegenheit, interkultureller Austausch kann aber genauso gut in Österreich stattfinden“, findet Lisa Seiringer: „Hier leben schon so viele Menschen aus anderen Ländern. Das kann man gut nützen, um andere Kulturen und Menschen kennenzulernen.“
Vorstandsmitglied und Schriftführerin Lisa Seiringer: