Fünf Menschen, die mit ihrer Arbeit oft gegen den Strom schwimmen, aber dennoch nicht aufgeben. Fünf Menschen, die zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten anregen. Fünf Menschen, die den Stimmlosen eine Stimme geben. Diese fünf Menschen bilden, unter der Leitung von Theaterpädagoge und Soziologe Michael Wrentschur, das Kernteam der Initiative InterACT, die Forumtheater in Graz auf die Bühne bringt.
InterACT ist eine Theaterinitiative, die mit ihren Projekten auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen will. Eine Initiative, die sich darum bemüht, gesellschaftlichen Diskurs anzuregen und gleichzeitig konkrete Anliegen an die Politik zu formulieren.
Forumtheater – was ist das?
„Meistens werden genau über die Menschen gesetzliche Entscheidungen getroffen, denen die nötigen Mittel fehlen, um sich selbst eine Stimme zu verschaffen“, bemängelt Brigitte Schaberl, die seit 2008 bei der Initiative tätig ist. Genau das will Wrentschur samt seinem Team mithilfe von legislativen Forumtheaterprojekten ändern, bei denen Forumtheater zu einem Werkzeug politischer Beteiligung wird. „Die einzelnen Szenen, aus denen eine Aufführung besteht, werden zumeist von Betroffenen des thematisierten Problems selbst erarbeitet und dargestellt“, erklärt Schaberl. Außerdem sind Forumtheateraufführungen immer interaktiv: Das Publikum wird in den Aufführungen zum Mitspielen und Mitdiskutieren eingeladen und angeregt.
InterACT – was kann das?
Viele Erwachsene leiden schon früh in ihrem Leben an Armut, prekären Lebenslagen und der damit verbundenen gesellschaftlichen Ausgrenzung. InterACT setzte sich, gemeinsam mit jungen Erwachsenen, gezielt mit dieser Problematik auseinander: Im Jahr 2012 wurden Betroffene zu einem mehrtägigen Workshop eingeladen, in welchem sie ihre Probleme artikulieren und konkrete Anliegen an die Regierung formulieren konnten. Das Endprodukt: Das Forumtheater „Jung. Pleite. Abgestempelt.“ Auch die Frage: „Was kann dagegen getan werden, dass immer mehr Österreicherinnen und Österreicher von Altersarmut betroffen sind?“, nahm die Initiative unter die Lupe. InterACT’s Forumtheater „Reich an Leben“, welches ebenfalls der Feder von Betroffenen entsprang, gab Antwort. 2016 verschafften sich die Mitwirkenden mithilfe der Initiative sogar Gehör im steirischen Landtag mit einem Landtagsausschuss als Folge. InterACT’s aktuelles Projekt: „Das ist ja wohl das Mindeste!“ nimmt auf das heiß diskutierte Thema Mindestsicherung Bezug.
Ein InterACT-Projekt – wie läuft das ab?
Welche Themen drängen sich aufgrund von aktuellen Geschehnissen besonders auf? – Diese Frage muss vor Beginn eines neuen Projekts stets geklärt werden. „Es gilt ständig gesellschaftspolitisch kritische Themen zu erspüren“, schildert Schaberl. Sobald sich das fünfköpfige Team auf ein zu behandelndes Thema geeinigt hat, ist es essentiell, Mitwirkende zu finden. Ganz wichtig: Nicht nach professionellen Schauspieler*innen wird in dieser Phase Ausschau gehalten, sondern nach Menschen, die direkt in den gesellschaftlichen Konflikt involviert sind.
Dies gelingt durch das Austeilen von Flyern, in welchen das anstehende Projekt grob skizziert wird, an die unterschiedlichsten Einrichtungen und Institutionen. Die Frage: „Wo halten sich die von diesem Thema Betroffenen höchstwahrscheinlich auf?“, muss dabei laut Schaberl stets im Hinterkopf behalten werden. Anschließend werden Anmeldungen gesammelt, Informationsabende veranstaltet und Workshops organisiert. „Was bei diesen Workshops passiert ist einfach Wahnsinn!“, erzählt Schaberl mit leuchtenden Augen. „Ein Großteil der Leute, mit denen wir zusammenarbeiten und die schlussendlich auf der Bühne stehen, hatte bei Start des Projekts noch keine Ahnung von Theater.“ Aus einfachen Übungen entstehen ganz überraschend und schnell brauchbare Szenen, die in einem intensiven Proben-, Entwicklungs- und Rechercheprozess ausgearbeitet werden. „Es ist eben selten ein professioneller Schauspieler so authentisch wie eine Person, die etwas verkörpert, was sie selbst unmittelbar betrifft.“
Und was bringt das?
Schaberl merkt allerdings auch an, dass die Umsetzung von legislativen Forumstheaterprojekten nicht immer ganz einfach ist: „Im Prinzip schwimmen wir oft gegen den Strom. Manchmal fragst du dich bei dem ganzen Widerstand, auf den du täglich stößt: Für was tust du das eigentlich?“
„Früher habe ich mich meiner Armut geschämt, habe mich versteckt. Heute kann ich besser zu meiner Situation stehen. Das Projekt hat mich aktiviert und mein politisches Bewusstsein gestärkt.“ – Wenn die Antworten von Beteiligten auf die Frage, was sie denn persönlich von einem Projekt mitnehmen, so ausfallen, wie jene dieses Mitwirkenden beim Projekt „Reich an Leben“, wisse man wieder, wozu man die Mühen in Kauf nimmt. „Es ist ein unglaublich gewagter Schritt als von einem gesellschaftlichen Missstand Betroffener bei so Projekten mitzumachen. So positive Rückmeldungen spenden wieder ganz viel Kraft und Motivation“, lächelt Schaberl. Doch es ist ein Schritt, der sich wahrlich lohnt: „Viele Beteiligte haben sich im Laufe eines Projekts bemerkenswert weiterentwickelt.“ Außerdem gibt es mittlerweile zahlreiche Beispiel dafür, dass InterACT-Projekte Wirkungen auf politischer und behördlicher erzielt haben.
Fünf Menschen, die Theater als gesellschaftliches Werkzeug nutzen. Fünf Menschen, die den „Abgestempelten“ eine Chance geben. Fünf Menschen, die Veränderung bringen.
*Titelbild: InterACT